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13.03.2023 - Resolution KiTa Bacharach

Schreiben an Landrätin Dorothea Schäfer bzgl. der Existenzbedrohung der kommunalen Kindertagesstätte Bacharach durch die restriktive Auslegung von Brandschutzvorgaben bei gleichzeitigem Entzug der Fördermittel durch den Landkreis Mainz-Bingen

Sehr geehrte Frau Landrätin Schäfer,

nachstehendes Schreiben senden wir mit gleicher Post der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Frau Malu Dreyer, der Bildungsministerin des Landes Rheinland-Pfalz, Frau Dr. Stefanie Hubig, dem Bundestagsabgeordneten, Herrn Daniel Baldy, dem Landtagsabgeordneten Herrn Michael Hüttner, dem Bürgermeister der VG Rhein-Nahe, Herrn Karl Thorn, dem Gemeinde- und Städtebund RLP sowie der Allgemeinen Zeitung, dem ZDF und dem SWR zur Kenntnis.

Die Stadt Bacharach fordert die Kreisverwaltung Mainz-Bingen auf, bei der Begutachtung von Kindertagesstätten, insbesondere im Hinblick auf Anforderungen des Brandschutzes, mehr Augenmaß walten zu lassen und Auflagen nicht maximal restriktiv auszulegen.  Zudem fordert die Stadt Bacharach die Weitergewährung von Kreiszuwendungen zu den Baukosten von Kindertagesstätten im Landkreis Mainz-Bingen.

Die Stadt Bacharach betreibt als kommunaler Träger eine Kindertagesstätte mit 65 Plätzen. Zum 01.09.2022 fehlten nach dem Kindertagesstättenbedarfsplan des Landkreises in der Kindertagesstätte neun Plätze, zum 01.03.2023 fehlten 16 Plätze. Nach aktuellem Stand werden auch zum 01.03.2024 zehn Plätze fehlen. Gemeinsam mit dem Kreisjugendamt wurde daher eine Aufstockung der Betriebserlaubnis auf 70 Plätze angestrebt, mit der auch die Schaffung einer weiteren Teilzeitstelle einhergehen würde.

Im Rahmen einer Gefahrenverhütungsschau durch die Bauaufsicht des Landkreises mit einem Mitarbeiter der Brandschutzdienststelle am 29.11.2022 wurden vermeintliche Mängel am Gebäude der Kindertagesstätte festgestellt. So soll etwa an jedem Gruppenraum ein zweiter Rettungsweg vorhanden sein. Seither war dies über die Möglichkeit gegeben im ersten Stock mit einer Drehleiter anleitern zu können. Dieses Vorgehen war bekannt, war von der Kreisverwaltung genehmigt und wurde regelmäßig für den Ernstfall geübt. Um die neuen Forderungen der Brandschutzdienststelle in unserer dreigeschossigen Kita umzusetzen, müssten Außentreppen angebaut werden – an ein denkmalgeschütztes Gebäude innerhalb einer Denkmalzone. Um dieses Bauvorhaben denkmalgerecht umzusetzen (falls dies überhaupt möglich ist) muss mindestens ein mittelhoher sechsstelliger Betrag angenommen werden. Dies ist vor der Haushaltssituation der Stadt Bacharach nicht im Ansatz darzustellen. Der Haushalt der Stadt schließt im Jahr 2023 voraussichtlich mit einem Jahresfehlbetrag im Ergebnishaushalt in Höhe von knapp 310.000€ bei einer aktuellen Pro-Kopf Verschuldung in Höhe von 1.308,17€. Diese Situation stellt sich so dar, obwohl die Investitionstätigkeiten der Stadt bereits auf ein absolutes Minimum zurückgefahren sind und lediglich die dringendsten Erhaltungsmaßnahmen angegangen werden sollen. Wie in dieser Haushaltssituation die Baumaßnahmen an der Kindertagesstätte ohne jegliche Möglichkeit einer Förderung umgesetzt werden sollen, bleibt unklar. Dazu belastet die Anhebung der Kreisumlage um 1,25 Punkte den Haushalt der Stadt Bacharach um ein weiteres. Alleine durch die Kreisumlage in Höhe von 33,75 v.H. und der Verbandsgemeindeumlage in Höhe von 41,0 v.H. ist ein enormer Teil des Haushaltsvolumens der Stadt Bacharach aufgebraucht. Freiwillige Leistungen sind sowieso seit Jahren fast nicht möglich, mittlerweile ist aber auch die Umsetzung von kommunalen Pflichtaufgaben sowie dringend benötigter Unterhaltungsmaßnahmen gefährdet.

Darüber hinaus ist die Frist zur Umsetzung der Baumaßnahmen bis zum 01.03.2023 voll und ganz realitätsfern. Es ist nicht verständlich, weshalb eine solche Frist durch die Kreisverwaltung gesetzt wird, trotz Kenntnis der Haushaltssituation, der Planungs- und Vergaberichtlinien. Zwischenzeitlich wurde der Stadt eine Nutzungsuntersagung des Gebäudes bei Nichtausführung der Maßnahmen innerhalb einer Frist von vier Wochen (!) angedroht. Auch diese Fristsetzung entbehrt jeglicher Verhältnismäßigkeit. Aufgrund fehlender Ausweichmöglichkeiten käme dies einer Schließung der Kita durch den Kreis gleich. Wie und wo die 65 Kinder der Kita Bacharach dann betreut werden sollen, ist unklar. Sollte die Kreisverwaltung den Weg einer Nutzungsuntersagung wählen, sind wir gespannt, wie eine Betreuung der Kinder durch den Kreis weiterhin gewährleistet werden soll.

Die geplante Anpassung des Betriebsplans auf 70 Plätze wurde aufgrund der Brandschutzforderungen des Landkreises zwischenzeitlich gestoppt, da der Schlafraum auch verlegt werden musste, um den Betrieb überhaupt weiter aufrecht erhalten zu dürfen. Im aktuellen Schlafraum haben nun zu wenige Kinder Platz, um noch zusätzliche Kinder aufnehmen zu können. Somit müssen weiterhin Eltern auf einen Kita-Platz warten, der Kreis muss womöglich für eine alternative Kinderbetreuung aufkommen. Ob dieses Vorgehen für den Kreis kostengünstiger ist als eine Weitergewährung der Förderung zu den Baukosten an Kindertagesstätten darf zumindest bezweifelt werden. Beim gesamten Thema des Brandschutzes vermisst man völlig das dringend benötigte Augenmaß und die Abwägung verschiedener Aspekte, wie etwa Denkmalschutz oder Haushaltslage, bei der Kreisverwaltung.

Die Ausübung der Trägerschaft bindet zudem enorme Kapazitäten eines ohnehin überdurchschnittlich aufwendigen Ehrenamts. Sowohl die Finanzierung als auch die Übernahme der Trägerfunktion sind keineswegs zeitgemäß und nicht zukunftssicher. Aus diesen Gründen versucht die Stadt Bacharach bereits seit einiger Zeit die Trägerschaft der Kindertagesstätte abzugeben. Bislang konnte dies jedoch leider nicht realisiert werden, auch da es kaum Unterstützung durch Verbandsgemeinde und Landkreis gab und gibt.

Der Stadt Bacharach ist bewusst, dass der Landkreis Mainz-Bingen nicht alleinschuldig an der fehlenden finanziellen Ausstattung der Kindertagesstätten ist. Das Land Rheinland-Pfalz kommt der Unterstützung der Kommunen für die kommunale Pflichtaufgabe der Trägerschaft von Kindertagesstätten nicht ausreichend nach. Kleine Kommunen in strukturschwachen Räumen können sich die Trägerschaft einer Kindertagesstätte de Facto nicht leisten. Dazu wird die Trägerschaft von ehrenamtlichen Orts- und Stadtbürgermeistern übernommen. Wenn das Land Rheinland-Pfalz die Verbesserungen, die durch das Kita-Zukunftsgesetz geplant waren, auch wirklich in die Realität umsetzen will, muss die Finanzierung von kommunalen Kindertagesstätten umgebaut werden und die Trägerschaft auf eine professionelle, hauptamtliche Ebene gehoben werden.

Abschließend möchten wir Sie bitten, dieses Schreiben den im Kreistag vertretenen Fraktionen vorzulegen.

Diese Resolution erging durch einstimmigen Beschluss des Rates der Stadt Bacharach am 09.03.2023.

 

Mit freundlichen Grüßen

Philipp Rahn

Stadtbürgermeister

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