Das Fenster
Wernerkapelle Bacharach
Dieses von 2007 - 2010 realisierte Projekt stand im Kontext des NETZWERK-TOLERANZ, dem Engagement für Toleranz ein weltweites Symbol zu etablieren: die STELEN DER TOLERANZ. Inzwischen stehen die Stelen an 25 Orten in acht Ländern. “Für Toleranz einzustehen ist heute so aktuell und notwendig wie bei der Gründung des Netzwerks Stelen der Toleranz e.V. im Jahr 1994 - eine Verpflichtung weiter zu machen!” (Karl-Martin Hartmann)
In Zusammenarbeit mit dem Bauverein Wernerkapelle, Bacharach e.V., unter der Schirmherrschaft von Herrn Karl Peter Bruch, Minister des Inneren des Landes Rheinland-Pfalz und mit Zustimmung der Deutschen-UNESCO-Kommission, ist das Projekt DAS FENSTER im Mai 2007 realisiert worden. Unter dem Motto TOLERANZ VOR AUGEN Wernerkapelle, Bacharach DAS FORUM fanden mehrere Veranstaltungen zu Toleranz und Verständigung in der Wernerkapelle statt.
Gleichzeitig ist die Wernerkapelle auch für die künftigen Generationen Lernort der Toleranz, den wir auch in Zukunft mit Leben füllen werden.
DAS FENSTER will zu wahrhaftigen Erinnerungen aufrufen. Zum Dialog mit dem Fremden will es ermutigen. Licht, Farbe und Schrift sollen als Zeichen der Toleranz weit hin wirken und auf eine gemeinsame Zeit im Geist der Versöhnung verweisen.
Hier in den Ruinen der Wernerkapelle gedenken wir des schweren Erbes des Judenhasses in Deutschland. Nachdem die falsche Legende vom jüdischen Ritualmord inszeniert und Jahrhunderte lang zu Ausschreitungen missbraucht wurde, dient dieser Ort heute als Mahnmal eines geschwisterlichen Umgangs der Religionen.
Text im Fenster: Heinrich Heine, ”Der Rabbi von Bacharach”
Erstes Kapitel
Unterhalb des Rheingaus, wo die Ufer des Stromes ihre lachende Miene verlieren, Berg und Felsen, mit ihren abenteuerlichen Burgruinen, sich trotziger gebärden und eine wildere, ernstere Herrlichkeit emporsteigt, dort liegt, wie eine schaurige Sage der Vorzeit, die finstre, uralte Stadt Bacharach. Nicht immer waren so morsch und verfallen diese Mauern mit ihren zahnlosen Zinnen und blinden Warttürmchen, in deren Luken der Wind pfeift und die Spatzen nisten; in diesen armselig hässlichen Lehmgassen, die man durch das zerrissene Tor erblickt, herrschte nicht immer jene öde Stille, die nur dann und wann unterbrochen wird von schreienden Kindern, keifenden Weibern und brüllenden Kühen.
Diese Mauern waren einst stolz und stark, und in diesen Gassen bewegte sich frisches, freies Leben, Macht und Pracht, Lust und Leid, viel Liebe und viel Haß. Bacharach gehörte einst zu Munizipien, welche von den Römern während ihrer Herrschaft am Rhein gegründet worden, und die Einwohner, obgleich die folgenden Zeiten sehr stürmisch und obgleich sie späterhin unter Hohnestaufischer, und zuletzt unter Wittelsbacher Oberherrschaft gerieten, wussten dennoch, nach dem Beispiel andrer rheinischen Städte, ein ziemlich freies Gemeinwesen zu erhalten. Dieses bestand aus der Verbindung einzelner Körperschaften, wovon die der patrizischen Altbürger und die der Zünfte, welche sich wieder nach ihren verschiedenen Gewerken unterteilten, beiderseitig nach der Alleinmacht rangen, so dass sie sämtlich nach außen, zu Schutz und Trutz gegen den nachbarlichen Raubadel, fest verbunden standen, nach innen aber, wegen streitender Interessen in beständiger Spaltung verharrten; und daher unter ihnen wenig Zusammenleben, viel Misstrauen, oft sogar tätliche Ausbrüche der Leidenschaft. Der herrschaftliche Vogt saß auf der hohen Burg Sareck, und wie sein Falke schoß er herab wenn man ihn rief und auch manchmal ungerufen.
Die Geistlichkeit herrschte im Dunkeln durch die Verdunkelung des Geistes, Eine am meisten vereinzelte, ohnmächtige und vom Bürgerrechte allmählich verdrängte Körperschaft war die kleine Judengemeinde, die schon zur Römerzeit in Bacherach sich niedergelassen und späterhin, während der großen Judenverfolgung, ganze Scharen flüchtiger Glaubensbrüder in sich aufgenommen hatte.
Die große Judenverfolgung begann mit den Kreuzzügen und wütete am grimmigsten um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, am ende der großen Pest, die, wie jedes andre öffentliche Unglück, durch die Juden entstanden sein sollte, indem man behauptete, sie hätten den Zorn Gottes herabgeflucht und mit Hülfe der Aussätzigen die Brünnen vergiftet. Der gereizte Pöbel, besonders die Horden der Flagellanten, halbnackte Männer und Weiber, die zur Buße sich selbst geißelnd und ein tolles Marienlied singend, die Rheingegend und das übrige Süddeutschland durchzogen, ermordeten damals viele tausend Juden, oder marterten sie, oder tauften sie gewaltsam. Eine andere Beschuldigung, die ihnen schon in früherer Zeit, das ganze Mittelalter hindurch bis Anfang des vorigen Jahrhunderts, viel Blut und Angst kostete, das war das läppische, in Chroniken und Legenden bis zum Ekel oft wiederholte Märchen; dass die Juden geweihte Hostien stählen, die sie mit Messern durchstächen bis das Blut herausfließe, und dass sie an ihrem Paschafeste Christenkinder schlachteten, um das Blut derselben bei ihrem nächtlichen Gottesdienste zu gebrauchen.
Die Juden, hinlänglich verhasst wegen ihres Glaubens, ihres Reichtums, und ihrer Schuldbücher waren an jenem Festtage ganz in den Händen ihrer Feinde, die ihr Verderben gar zu leicht bewirken konnten, wenn sie das Gerücht eines solchen Kindermords verbreiteten, vielleicht gar einen blutigen Kinderleichnam in das verfemte haus eines Juden heimlich hineinschwärzten, und dort nächtlich die betende Judenfamilie überfielen; wo alsdann gemordet, geplündert und getauft wurde, und große Wunder geschahen durch das vorgefundene tote Kind, welches die Kirche am Ende gar kanonisierte.
Sankt Werner ist ein solcher Heiliger, und ihm zu Ehren ward zu Oberwesel jene prächtige Abtei gestiftet, die jetzt am Rhein eine der schönsten Ruinen bildet, und mit der gotischen Herrlichkeit ihrer langen spitzbögigen Fenster, stolz emporschießender Pfeiler und Steinschnitzeleien uns so sehr entzückt,…